Skurriles

Menschen, Tiere, Sensationen

Dies ist die “Freistil“-Seite von tilapia.at. Hier werden Geschichten über den Tilapia gesammelt, die zusätzlich noch eine spannende, skurrile, merkwürdige oder lustige Komponente in sich tragen.

Freistil eben.


A.M.I.G.O / Tilapia from outer space

AMIGO im Museum of Science and Industry

Nach dem Siegeszug um den Globus erobert der Tilapia auch den Weltraum. 1998 startete die 92. NASA Space Shuttle Mission vom Kennedy Space Center in Florida. Neben sieben Astronauten und zahlreichen wissenschaftlichen Experimenten waren auch befruchtete Eier des Blue Tilapia Oreochromis aureus mit an Bord. Die NASA wollte sehen, was mit Fischeiern passiert, die sich unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit entwickeln. Tatsächlich schlüpfte bereits an Bord der Raumfähre genau eine kleine Tilapialarve: A.M.I.G.O war geboren! Dies war die Abkürzung für “Aquaculture in MIcroGravitational Orbit”. Nach der Rückkkehr aus dem All wurde A.M.I.G.O von den Wissenschaftlern genauestens untersucht, ob ihm die Schwerelosigkeit in irgendeiner Form geschadet haben könnte. Tatsächlich war das Gegenteil der Fall: der Astronauten-Fisch entwickelte sich prächtig und wuchs sogar über die Durchschnittsgrösse eines regulären Blue Tilapia hinaus!

Im Anschluss an die Untersuchungen wurde A.M.I.G.O in das Museum of Science and Industry / MOSI in Tampa, Florida gebracht, wo ihm eine Partnerin (namens Marie) an die Seite gestellt wurde. Sie gründeten eine Familie und brachten kurz darauf über 100 kleine Tilapien zur Welt.

Leider starb A.M.I.G.O schon zwei Jahre später, weil es in dem Gebäude, in dem sein Aquarium stand zu einem nächtlichen Stromausfall kam, der die Wasserversorgung unterbrach. Der Publikumsliebling hat die Havarie zwar nicht überlebt, aber es existieren noch heute im MOSI mehrere Generationen Blue Tilapia mit zahllosen Nachkommen, die in direkter Linie von A.M.I.G.O abstammen.


Die Tilapia-Mars-Mission

Aber weil der Weltraum für den Tilapia noch nicht entfernt genug ist, soll er irgendwann auch noch weiter zum Mond und bis zum Mars fliegen. Seit 2006 untersuchen Wissenschaftler im Auftrag der NASA die Potentiale, die Tilapien für die menschliche Ernährung im All aufweisen.

Hintergrund sind die Langzeit-Raum-Missionen der NASA, um z.B. eine Raumstation auf dem Mond zu betreiben oder einen bemannten Flug zum Mars durchzuführen. Um die Ernährung der Crew sicherzustellen, wird schon lange die Idee verfolgt, Gemüse und Tiere in geschlossenen Systemen an Bord der Raumkapseln (“Advanced Life Support Systems” / ALSS) zu produzieren. Die robusten und pflegeleichten Buntbarsche wurden dabei als vielversprechende Kandidaten für eine Produktion in kreislaufgeführten Aquaponik-Systemen getestet. In diesen kombinierten Biotopen werden die Tilapien kontrolliert aufgezogen, ihre Ausscheidungen düngen fortwährend die mitgeführten Pflanzen. (Siehe Kapitel “Aquaponik-Hydroponik“.) Im Idealfall entsteht dann ein in sich geschlossenes Kreislaufsystem, das einen regelmässigen Ertrag an pflanzlichen Nährstoffen und tierischem Protein für die Raumfahrer abwirft.

Das Tilapia Mars Menü

Die ersten Versuchsergebnisse waren vielversprechend: sowohl Tilapiafilet als auch der Fisch als Ganzes liefern für z.B. für die Nährstoffe Protein, Selen, Vitamin C und Vitamin D einen geigneten oder sogar höheren Gehalt, als in der offiziellen Nährstoffempfehlung für internationale Raummissionen festgeschrieben steht. Interessanterweise (aber auch zu erwarten) liefert der Extrakt aus einem ganzen Tilapia bessere Nährstoffwerte, als Extrakte der reinen Fischfilets. Da muss der Tilapia dann wohl in den Mixer . . .

(Quelle: Gonzales, J.M. und Brown, P.B. (2006): Nile Tilapia Oreochromis niloticus as a food source in advanced life support systems: Initial considerations. Advances in Space Research, Vol. 38, Iss. 6.)


Wie kommt der Tilapia in den Joghurt?

Eine der grössten Molkereien der USA hat sich kürzlich einen Joghurt offiziell von einem Rabbi zertifizieren lassen. Die Produktlinie ist seither “certified kosher“. Der koschere Joghurt folgt damit den strengen Regelungen der jüdischen Religionslehre. Normalerweise wäre der Joghurt mit Gelatine versetzt gewesen, die aus Rindern oder Schweinen gewonnen wurde. Nach den koscher-Regeln dürfen diese Zutaten aber nicht mit Milch in Berührung kommen. Um der Fruit-Mousse in dem Joghurt aber dennoch eine “lockere und leichte Textur” zu verschaffen, wird stattdessen Gelatine aus Fischen zugesetzt. Genau – aus Tilapien.

Quelle: http://thebatavian.com/howard-owens/its-kosher-when-you-eat-muller-yogurt/39274


Das geht in’s Auge: Implantate aus Tilapiaschuppen

Man kann den Tilapia aber nicht nur in den Joghurt mixen. Eine Forschergruppe der Universitäten Köln und Leiden in Holland haben ein Verfahren entwickelt (“BioCornea“), wie man aus den Schuppen von Buntbarschen ein Hornhautimplantat herstellen kann. Hintergrund ist der immense Bedarf an Spendergewebe, der Menschen transplantiert werden kann, die zu erblinden drohen. Bislang mussten die Hornhäute gerade gestorbenen Organspendern entnommen werden. Da der Bedarf aber bei weitem die Verfügbarkeit an Spendergewebe übersteigt, wurde eine künstliche Hornhaut entwickelt, die den betroffenen Patienten implantiert werden kann. Als Grundgerüst der künstlichen Hornhaut dient die natürliche Kollagenstruktur, wie sie in den Schuppen des Mosambik Tilapia (Oreochromis mossambicus) vorliegt.

Hierzu werden die Schuppen den speziell hierfür gezüchteten Tilapien entnommen, in mehreren Schritten gereinigt, entkalkt und sterilisiert, bis sie dann als Hornhaut-Implantat dem Patienten eingesetzt werden können. Nach der Operation wird die Kollagenstruktur der ursprünglichen Tilapiaschuppe schon kurz nach dem Einsetzen der Hornhaut von den körpereigenen Zellen des Empfängers aufgefüllt. Das Verfahren steckt noch in der Erprobungsphase, könnte aber in Zukunft einen Teil der 100.000 Hornhauttransplantationen abdecken, die weltweit pro Jahr durchgeführt werden.

(Quelle: Hos, D. & van Essen, T.H. et al: “Dezellularisierte Kollagenmatrix  aus der Schuppe des Tilapia-Fisches als Hornhautersatz (“BioCornea”). Der Ophthalmologe, 2014-111.)


Der patentierte Tilapia

Dass man einen Buntbarsch auch patentieren lassen kann, haben Biologen aus Göttingen bewiesen: seit dem Jahr 2013 existiert eine Wortmarke für den Tilapia augusta. Mit diesem Namen, der als Europäische Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wird ein spezieller “strain”, also eine Zuchtlinie geschützt, die von einer renommierten Arbeitsgruppe der Georg-August-Universität Göttingen entwickelt wurde. Der Tilapia augusta hat den Vorteil, dass durch eine Temperaturbehandlung ein annähernd reiner Männchenbestand (= all-male) dieser Buntbarsche erreicht werden kann. Damit kann in einer Aquakultur-Produktion der Fische dann auf die sonst übliche Zugabe von Hormonen verzichtet werden. Eine Hormonbehandlung wäre ansonsten ein Ausschlusskriterium für eine Bio-Zertifizierung.

Die Wortmarke “Tilapia augusta” gilt für die Nizza-Klassen 029 / “Nahrungsmittel tierischer Herkunft”, 031 / “Land- und Forstwissenschaftliche Erzeugnisse” und 042 / “Wissenschaftliche und Technologische Dienstleistungen”.

Zwei Bilder der patentierten Tilapien haben wir von der EuroTier 2014 in Hannover mitgebracht:

Tilapia augusta im Aquarium
Tilapia augusta im Aquarium (Bild: queller.org)
Ein Schwarm junger Tilapia augusta (Bild: queller.org)


(Fotos: tilapia.at, entstanden auf dem DLG-Schaufenster: “Wachstum im Wasser”.)