Aquakultur

Produktion und Zucht des Tilapia in Aquakulturen

Hier wird detailliert auf die Rolle eingegangen, die der Tilapia seit einigen Jahren in der globalen Aquakultur spielt. Es werden Zahlen, Daten und Fakten gesammelt, über die Produktion dieses “Zukunftsfisches“, ergänzt durch interessante Fallbeispiele in Europa.

Vom ursprünglichen Verbreitungsgebiet in Afrika hat der Tilapia seine Bedeutung in der Aquakultur auch auf Asien und Mittelamerika ausgedehnt, wo er mittlerweile in gewaltigen Tonnagen produziert wird. Auch mitten in Europa enstanden schon einige grössere Produktionsanlagen. Diese bestehen wegen des rauhen europäischen Klimas v.a. aus überdachten, geschlossenen Aquakultur-Kreislaufsystemen (RAS). Einen regelrechten Boom erleben gerade aber auch Aquaponik-Anlagen, in denen die Aufzucht von Fischen mit einer nachgeschalteten Pflanzenproduktion gekoppelt wird. Die interessantesten Anlagen und Projekte im deutschsprachigen Raum, d.h. Deutschland, Österreich und der Schweiz werden nachfolgend beschrieben. Das breite Spektrum reicht dabei von lokalen Kleinbetrieben mit angeschlossenem Hofladen, bis zu kommerziellen High-Tech-Farmen in hektargrossen Industriegebäuden.


Globale Produktion

Im Jahr 2011 wurden weltweit knapp 2,8 Mio. Tonnen Tilapia in Aquakulturen erzeugt, mit einem Warenwert von über 4,5 Mrd. US-Dollar. Im nachfolgenden Jahr stieg laut dem Fachportal IntraFish die globale Produktion schon auf über 4,2 Mio. Tonnen. Aufgrund der weiter steigenden Nachfrage wurde für das Jahr 2014 eine weltweite Produktionsmenge von 4,5 Mio. Tonnen erwartet. Der nach Warenwert grösste Markt für Tilapia-Fische, die USA, werden bis zum Ende diesen Jahres Tilapia im Wert von über einer Milliarde US-Dollar importiert haben. Die Gründe für den Anstieg sind nicht nur allgemein die Ausweitung der Produktion in Ländern Afrikas und Asiens, sondern zusätzlich noch die Umwidmung zahlreicher ehemaliger Pangasius-Farmen in Vietnam zu Zuchtbetrieben für den Tilapia.

Der bei weitem grösste Produzent von gefarmten Tilapias (in 2003) war China, gefolgt von Ägypten, Philippinen, Thailand, Indonesien und Laos. Auf den weiteren Plätzen folgen die mittelamerikanischen Länder Costa Rica, Equador, Kolumbien und Honduras. (Quelle: FAO, Fisheries and Aquaculture Information and Statistics Service)


Produktion in der Schweiz

Die ecco-jäger Dachfarm in Bad Ragaz

Im Kanton St. Gallen, in Bad Ragaz steht die – nach eigener Aussage – grösste kommerzielle Aquaponik-Anlage der Schweiz. Im Zuge aufwändiger Sanierungsmassnahmen im Jahr 2014 wurde auf dem Dach der Firmenzentrale des Früchte und Gemüsegrosshandels ecco-jäger Früchte und Gemüse AG eine Aquaponik-Dachfarm aufgebaut. Die Abwärme der Gemüse-Kühlhäuser wird genutzt, um im obersten Stock der Firmenzentrale eine 200 m² grosse Aquakulturanlage aufzuheizen. Die Anlage ist ausgelegt auf eine Produktion von 14 Tonnen Buntbarsch im Jahr, die frisch unter dem Namen Rosé-Barsch vermarktet werden. Gefüttert werden die Tilapien mit einem Naturland-zertifizierten Biofutter aus Süddeutschland.

Ein Teil des nährstoffreichen Kreislaufwassers der Fischproduktion, das mit den Ausscheidungen der Barsche angereichert ist, wird ein Stockwerk höher gepumpt und bewässert dort in einem 1000 m² grossen Gewächshaus Kräuter, Salate und diverse Gemüsesorten. Zusätzlich wird auch noch die Abluft aus der Fischproduktion in das Dach-Gewächshaus geleitet. Hierdurch kann das Kohlendioxid (CO2), das die Fische ständig an die Raumluft abgeben, von den Pflanzen im Gewächshaus für ihren Stoffwechsel genutzt und zu Sauerstoff (O2) umgesetzt werden. Hier findet also noch ein zweiter Dünge-Effekt statt. Der Ertrag des Gewächshauses ist insgesamt mit ca. 10 Tonnen im Jahr veranschlagt. Geplant und gebaut wurde diese Aquaponik-Dachfarm von der Berliner ECF Farmsystems GmbH.

Urban Farmers

Die Firma Urban Farmers – eine Ausgründung der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften – hat Anfang 2013 unter grossem Medienecho in Basel eine Aquaponic-Anlage auf dem Dach eines Eisenbahn-Depots eröffnet. In dem Vorzeigeprojekt sollen auf 250 m² pro Jahr 5 t Gemüse und 800 kg Tilapien produziert und lokal vermarktet werden.

Tropenhaus Wolhusen

Das Tropenhaus Wolhusen im Kanton Luzern eröffnete 2010 einen Komplex aus Gewächshäusern und Gastronomie. Die Abwärme einer benachbarten Verdichtungssstation einer Gaspipeline beheizt die Tropenhäuser in denen tropische Nutzpflanzen, wie Kaffee, Banane und Papaya gezüchtet werden. Den organischen Dünger soll das Abwasser einer angegliederten Tilapiazucht liefern.


Produktion in Deutschland

Kirschauer Aquakulturen

Seit 2012 produzieren die Kirschauer Aquakulturen im sächsischen Schirgiswalde-Kirschau im kommerziellen Maßstab Tilapia. Nach einem fortlaufenden Upscaling erreicht die Warmwasser-Kreislaufanlage dort mittlerweile eine Jahresproduktion von 144 Tonnen des Red Nile Tilapia Oreochromis niloticus. Der Betrieb verfügt über einen eigenen Elterntierbestand und eine interne Brutanlage, so dass die benötigten Besatzfische vor Ort produziert werden können. Neben dem eigenen Fischfachgeschäft in Kirschau werden weitere Fischgeschäfte und Gastronomiebetriebe in der Region Oberlausitz, und zusätzlich der überregionale Einzelhandel beliefert. Das Sortiment umfasst dabei lebende und lebendfrische Tilapia, sowie verarbeitete Produkte, wie Filets und Räucherfisch. Getreu dem Motto: “Gewachsen in Sachsen.”

ECF Farmsystems Berlin

Mitten in Berlin, auf dem Gelände einer ehemaligen Malzfabrik, hat die ECF Farmsystems GmbH eine geschlossene Aquaponik-Anlage errichtet, in der auf einer Gesamt-Produktionsfläche von 1800 m² sogenannte “Rosé-Barsche” oder “Hauptstadtbarsche” gezüchtet werden, deren Ausscheidungen dann Tomaten, Salate und Kräuter düngen, die unter Glas angebaut werden. Die Rosé-Barsche (bei denen es sich offensichtlich um den Red Nile Tilapia Oreochromis niloticus handelt) sind seit Herbst 2015 in dem angegliederten Farmer’s Market erhältlich (Quelle: FutureFish).

Klein Eden

Im “Klein Eden” im oberfränkischen Kleintettau soll künftig die Abwärme einer lokalen Glashütte genutzt werden, um in einem Polykultur-System tropische Früchte und Warmwasserfische aufzuziehen. Dieses Tropenhaus ist ein Forschungsprojekt des Bayerischen Umweltministeriums und der Universität Bayreuth, das zusätzlich aus EU-Mitteln gefördert wird. Geplant ist, Tilapien in vier Produktionsbecken aufzuziehen und deren Abwässer als Dünger den Tropenpflanzen im Gewächshaus zuzuführen. Fische und Südfrüchte (u.a. Papaya, Mango und Maracuja) sollen dann im zugehörigen Besucherzentrum verkauft werden. Die Anlage soll 2014 in Betrieb gehen und eine Jahresproduktion von 10 t Fisch und 8 t Früchten erzeugen. (Quelle: fischmagazin.de, BR.de)


Produktion in Österreich

blün

Das erste österreichische Aquakultur-Unternehmen, das im kommerziellen Maßstab Tilapien produziert hat, ist die Firma “blün” in Wien. Der Firmenname entstand als kreatives Kofferwort aus den Begriffen “blau”, als Synonym für das Element Wasser und “grün” als Symbol für die Pflanzen. Seit 2017 wird in einem Gartenbaubetrieb am Rande der Donaustadt Wien eine Aquaponik-Anlage betrieben, in der Fische und Gemüse nach ökologischen Kriterien erzeugt werden. Gestartet war die Fischproduktion ursprünglich mit Tilapia und Welsen. (Den Pressefotos nach zu urteilen, dürften es Red Nile Tilapia Oreochromis niloticus gewesen sein.) Allerdings bestand in der Gastronomie offenbar eine grössere Nachfrage nach den Welsfilets, so dass die Bestände an “Wiener Barsch” weichen mussten, zugunsten einer gesteigerten Produktion der Welse. Bei diesem “Wiener Wels” handelt es sich offensichtlich um den Afrikanischen Wels Clarias gariepinus.

Angestrebt war eine Jahresproduktion von 25 Tonnen Fisch und 20 Tonnen Gemüse, überwiegend Tomaten / Paradeiser, Paprika und Auberginen. Obwohl das Unternehmen in der Aquaponik und in den Gewächshäusern von Anfang an nach Bio-Kriterien wirtschaftet, dürfen sich die Produkte laut der Richtlinien von Bio Austria leider nicht “Bio” nennen. Die entsprechenden EU-Verordnungen sehen die (moderne) Produktion in Aquaponik-Systemen, d.h. in künstlichen Becken und unter Glas noch als Ausschlusskriterium für eine Bio-Zertifizierung. Noch . . .


Produktion in Polen

Global Fish

Europas mit Abstand grösste Fischzucht für Tilapien wurde Ende 2012 in der polnischen Stadt Bonki eröffnet. Die Firma Global Fish hatte auf einer Fläche von 4 ha eine Industriehalle errichtet, in der jährlich 1.200 Tonnen Tilapia produziert werden sollten. Bei den Fischen handelte es sich um den “Red” und “Silver Tilapia“, zwei Farbvarianten des Nil-Tilapia Oreochromis niloticus. Die Besatzfische für die Farm wurden in einer firmeneigenen Brutanstalt erbrütet, sortiert und dann in die eigentliche Mastanlage überführt, wo sie bei 28° C Wassertemperatur bis zur Marktreife grossgezogen wurden. Die Wärmeenergie hierfür wurde u.a. über Erdwärme und Geothermie gewonnen. Diese gewaltige Kreislaufanlage war von den Aquakultur-Spezialisten der israelischen AquaMaof Gruppe geplant und errichtet worden.